thomas redl
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Dominanz und Kontinuität von Leitkulturen
Zur Rauminstallation Schwere Schatten von Thomas Redl

Reinhard Kannonier

Ein Forschungsprojekt an den Zeitgeschichte-Instituten der Universitäten von Linz und Graz vergleicht die Entwicklung urbaner Leitkulturen im 20. Jahrhundert am Beispiel von vier europäischen Städten : Bologna, Leipzig, Linz und Ljubljana. Mit dem Begriff Leitkulturen werden jene Aktivitäten bezeichnet, die von den kulturellen, ökonomischen und politischen Eliten der Städte mit Vorliebe gefördert werden, um sich und damit auch das kulturelle Image ihrer Stadt repräsentativ darzustellen. Darunter fallen beispielsweise Museen, Theater und Universitäten. Am höchsten aber werden zumeist musikalische Ereignisse bewertet : Große Opernabende und erhebende Konzerterlebnisse gehören zu den ästhetischen und gesellschaftlichen Höhepunkten der Leitkulturen. Hauptsächlich wird ein Repertoire gepflogen, das sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts nicht wesentlich erweitert hat. Die wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Dominanz der Leitkulturen von der Jahrhundertwende bis heute geht einher mit einer erstaunlichen Kontinuität der traditionellen Werke und ihrer Präsentation. Die künstlerische Moderne und die Avantgarde im 20. Jahrhundet bleiben bis auf wenige Ausnahmen weitgehend ausgespart.

Diese Grundthematik von Dominanz und Kontinuität der Leitkulturen in den vier Städten – signifikant ablesbar am Beispiel der Musik – bildet den Ausgangspunkt für die Rauminstallation von Thomas Redl. Er thematisiert und hinterfragt das Verhältnis zwischen Leitkulturen und Publikum.
Der Vier kommt im Klang-Raum eine Bedeutung zu, die sich nicht nur auf die Anzahl der Städte und Objekte, sondern auch auf den Rhythmus bezieht. Das Prinzip des Takts gehört zu den konstanten Elementen der Musik (etwa im Vergleich zur Klanglichkeit), der 4/4 Takt dient als Symbol für rhythmische Ebenmäßigkeit.
Der Raum konstituiert sich aus der Spannung zwischen schwebender Schwere und gebrochener Spiegelung. Zentrale Elemente des Raums sind vier von der Decke hängende Eisenplatten; sie füllen den Plafond fast zur Gänze aus. Die hängenden Platten stehen für die Städte Bologna, Leipzig, Linz und Ljubljana. Von den Deckenplatten herunter ist Musik von G. Verdi, J. S. Bach, A. Bruckner und ein Volkslied aus Ljubljana zu hören.

Als zweites, den Eisenplatten entgegengesetztes Element ist ein erhöhter Boden aus Beton eingezogen. In diesen sind, wie Schatten der Deckenplatten, vier begehbare Glasplatten eingelegt, darunter befinden sich Plexiglasspiegel. Der Besucher befindet sich zwischen einem irritativ gläsernspiegelnden Boden und einer bedrohlich schweren Decke.
An den Seitenwänden befinden sich vier kleine Nischen, aus denen in vier Sprachen bzw. Dialekten: Italienisch, Sächsisch, Oberösterreichisch und Slowenisch, Stellungnahmen zu den Leitkulturen zu hören sind. Gesprochen von den Repräsentanten der kulturellen und politischen Eliten, sind diese Kommentare nur in der Nähe der Nischen zu verstehen. Neben den Nischen befinden sich Fotografien der Konzert- bzw. Opernhäuser der vier Städte.